Die Mottenkiste

Seit Jahrzehnten, genauer gesagt seit 1989, das Jahr, in dem der geniale Sozialminister Dallinger die Wertschöpfungsabgabe als beschlussreife Regierungsvorlage vorgelegt hat, geifern ÖVP, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung unisono gegen dieses Konzept.

Das hat sich bis heute nicht geändert. „Retro-Konzept aus der Mottenkiste“ ist ein immer wieder gern strapazierter Begriff.

Dabei ist unser aktuelles Steuersystem, welches praktisch nur arbeitende Menschen besteuert, um ein Vielfaches älter. Es stammt aus einer Zeit, in der es noch keine Computer und keine Industrieroboter gab. Und es gibt nicht das geringste Zeichen, dass es bei der Umwandlung von menschlichen Arbeitsplätzen in Maschinenarbeitsplätze eine Trendumkehr gäbe, eher das Gegenteil!

Warum sind die Herren von ÖVP, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung so vernagelt? Mitterlehner: „Retro-Konzepte wie die Wertschöpfungsabgabe belasten Investitionen und kosten Arbeitsplätze.“ Schläft der Mensch in der Pendeluhr?

Erstens investieren die Firmen schon jetzt nicht, weil wir sowieso in einer Überflussgesellschaft leben und nicht mit steigender Nachfrage gerechnet wird. Gewinne werden heutzutage zumeist an Shareholder ausgezahlt und nur mehr selten ins Unternehmen investiert.

Zweitens erreichen wir jetzt schon unsere Klimaziele nicht. Mit Investitionen und Wirtschaftswachstum steigt der Energiebedarf und der Ressourcenverbrauch zwangsweise weiter an. Da ich nirgendwo im Handel einen Mangel an Waren orten kann, müsste neuer Bedarf geschaffen werden für Produkte, die bis dato niemanden abgehen. Und selbstverständlich fördert die Wertschöpfungsabgabe arbeitsplatzintensive Unternehmen und vernichtet keine Arbeitsplätze.

Die Wortmeldung von Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner ist ein Null-Argument: „Es handelt sich um eine uralte sozialistische Idee, die dort bleiben soll, wo sie hingehört – nämlich in den Archiven.“ Nur weil eine Idee jahrzehntelang von ÖVP und Wirtschaftskammer verhindert wurde, muss sie nicht zwangsweise schlecht sein. Und dass es nicht um neue Steuern geht, wie Herr Haubner meint, sondern um eine Anpassung der Steuerlast an die Veränderung der modernen Wirtschaft, hat er auch nicht begriffen oder nicht begreifen wollen.

Im Gegenteil: Wäre Dallinger nicht 1989 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, hätten wir vielleicht seit Jahrzehnten ein gerechtes, modernes Steuersystem, dass den Erfordernissen der heutigen Zeit Rechnung trägt und uns viele soziale Probleme erspart hätte.

Offen bleibt die Frage: Was haben ÖVP, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung davon, wenn Firmen mit vielen Arbeitsplätzen benachteiligt werden gegenüber Firmen mit wenigen Arbeitsplätzen?

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Ein Gedanke zu „Die Mottenkiste“

  1. Seit Jahrzehnten Nein sagen, aber wo, bitte, sind an die heutigen Verhältnisse angepaßte brauchbare Alternativvorschläge??? Mottenkiste ist an sich schon ein superschlauer Ausdruck, und macht eine Sache lächerlich, die eigentlich diskutiert und danach zur Anwendung gelangen sollte. Es hat sich viel geändert, Mottenkisten haben wir heute keine mehr, auch hier gibt es moderne Alternativen,
    haben die diversen, wohlbestallten Kämmerer dies noch nicht überrissen? Es würde auch der Wirtschaft helfen, an heutige Verhältnisse angeglichene Möglichkeiten anzuwenden.

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