Wir brauchen keine Arbeitsplätze!

Auf jeder Wahlveranstaltung, auf jedem Wirtschaftsgipfel ist es das Thema Nummer 1: Es müssen neue Arbeitsplätze geschaffen werden!

Wozu? Wird zu wenig produziert? Sind die Geschäfte leer, weil die Produktion mit dem Konsum nicht schritthalten kann? Gibt es monatelange Lieferzeiten bei den einfachsten Konsumgütern? Also ich kann keines dieser Probleme orten. Sie vielleicht?

Ganz im Gegenteil: Ein NASA-Rechenmodell[i] kommt zu dem Schluss, dass – wie man es auch dreht und wendet – unsere Zivilisation nicht aufrecht zu erhalten ist, da wir mehr Ressourcen verbrauchen als die Erde liefern kann. Ganz zu schweigen von den Umweltproblemen wie CO2-Ausstoß und Erderwärmung. Und da wollen wir, zur Gruppe der reichsten Industrieländer gehörend, noch wachsen? Was bleibt dann für die armen Länder?

Ganz offensichtlich scheint der Ruf nach Arbeitsplätzen nicht auf einem Mangel an Gebrauchsgütern zu beruhen, sondern auf der Arbeitsmarktstatistik. Es gibt immer mehr Arbeitslose. Dummerweise verschwinden immer mehr Arbeitsplätze durch Automatisierung und Computerisierung[ii]. Der Ruf nach mehr Arbeitsplätzen hat also die gleiche Sinnhaftigkeit wie der Ruf nach weniger Regen bei Hochwasser.

Verschärft wird die Arbeitslosenproblematik natürlich noch von Scheuklappen-Politikern und –Wirtschaftsfachleuten, die uns vorrechnen, dass bei steigender Lebenserwartung auch das Pensionsalter steigen muss, um die Staatskassen gefüllt zu halten. Dass durch steigendes Pensionsalter keine Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern Jugendarbeitslosigkeit, ist da offensichtlich kein Thema. Für Jugendarbeitslosigkeit sind ja andere Politiker und andere Wirtschaftsfachleute zuständig.

Natürlich gibt es Lösungsansätze: die Zumutbarkeitsbestimmungen verschärfen. Beispielsweise in der Gastronomie soll es ja jede Menge freie Arbeitsplätze geben, für die keine Interessenten gefunden werden können. Dabei hat der Kapitalismus ein perfektes Mittel zur Hand, Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen: Geld! Warum soll ich einen Familienvater von Staats wegen dazu zwingen, monatelang auf einer einsamen Schihütte besoffene Schifahrer für ein unattraktives Gehalt zu bedienen? Wenn der Lohn in Ordnung ist,  wird sich schon wer finden! Mag sein, dass dann der Schnaps etwas teurer wird. Na wenn schon!

Zahlt also ordentliche Gehälter und lasst die Leute in Frühpension gehen, wenn sie gerne möchten. Dann wird sich die Situation schnell entspannen. „Mit was für einem Geld?“ ist natürlich gleich die nächste Frage.

Jeder Würstelstand zahlt in Österreich mehr Steuern, als die großen Konzerne! Google, Apple, Amazon, IKEA[iv], um nur einige zu nennen, zahlen in Österreich keine nennenswerten Steuern! Unser Finanzminister und Steuerfluchthelfer Schelling kennt sich da eh gut aus: Beim Österreichischen Möbelhaus XXXLutz hat er die Zentrale nach Malta verlegt, um in Österreich Steuern zu sparen. Würde jeder Konzern in Österreich so viel Steuern zahlen, wie es jeder kleine Gewerbebetrieb auch muß, hätten wir keinerlei Budget-Probleme!

Weiters: Das Steuersystem in Österreich und auch in den meisten anderen Ländern ist eine eklatante Fehlkonstruktion aus längst vergangenen Zeiten. Es beruht primär darauf, dass die Masse des Steueraufkommens von jenen geleistet wird, welche arbeiten. Das mag in der vorindustriellen Gesellschaft seine Berechtigung gehabt haben, heute ist es völlig widersinnig. Je mehr Arbeit von Computern und Maschinen geleistet wird, desto mehr sinkt das Steueraufkommen. Es grenzt schon ans Absurde: Je mehr Leute ein Betrieb einstellt, desto mehr muss er Arbeitslosen-, Kranken- und Pensionsbeiträge zahlen. Wer seinen Profit mit Maschinen erwirtschaftet, spart sich das.

Dabei hat ein Politiker namens Alfred Dallinger schon in den 1980er Jahren einen Ersatz für dieses unbrauchbare Steuersystem vorgeschlagen: die Wertschöpfungsabgabe. Die Sozialabgaben werden nicht nach der Anzahl der Beschäftigten abgeführt, sondern nach der Wertschöpfung, die im Betrieb erwirtschaftet wird. Frei nach Leitls Motto: „Wenn’s der Wirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut!“

Aus unerfindlichen Gründen wurde die Wertschöpfungsabgabe als „Maschinensteuer“ verunglimpft – wobei mir unklar ist, was so schlimm daran ist, wenn die Maschinen Steuer zahlen anstatt der Menschen, da sie doch auch das Geld verdienen. Studien zur Wertschöpfungsabgabe wurden in Auftrag gegeben[iii] und haben einerseits eine positive Beschäftigungsentwicklung erkannt, andererseits als Nachteil hervorgehoben, dass die Kapitalbildung und damit der technische Fortschritt etwas behindert würde.

35 Jahre nach Dallinger haben sich die Nachteile relativiert. Wenn wir noch zwei Smartphone-Generationen oder eine Dieselmotor-Generation weiter hinten wären, würde das unsere Lebensqualität wohl kaum mindern. Und das Kapital bleibt schon lang nicht mehr in den Betrieben, wo es dem technischen Fortschritt und der Zukunft des Unternehmens dient. Es fließt zu einem hohen Anteil an Shareholder, die sich mit einem Geldregen konfrontiert sehen, der angelegt werden will. Da bietet es sich an, staatliche Unternehmen oder zumindest Anteile davon zu kaufen, da ja der Staat durch mangelnde Steuereinnahmen großen Geldbedarf hat. Der erste Schritt nach einer Privatisierung ist natürlich immer die Suche nach Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. Was zumeist mit einem Arbeitskräfteabbau erreicht wird.

Und bei den nächsten Wahlen werden uns wieder Arbeitsplätze versprochen….

 

[i] https://www.sein.de/nasa-kollaps-unserer-zivilisation-unausweichlich/

[ii] http://orf.at/stories/2308209/2308214/

[iii] http://www.wifo.ac.at/bibliothek/archiv/MOBE/1997Heft09_567_570.pdf

[iv] http://www.stern.de/wirtschaft/ikea-und-die-steuervermeidung–zahlst-du-noch-oder-trickst-du-schon–6699224.html

http://wien.orf.at/news/stories/2779393/

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bahn-plant-zuege-ohne-lokfuehrer-14278928.html